Während für die einen das Web3 mit all seinen technologischen Veränderungen zunehmend zum „the place to be“ wird, sind die anderen davon überzeugt, dass der große Traum von Web3 bereits ausgeträumt ist. Oder nur ein vorrübergehender Hype ist.
Das vergangene Jahr 2022 hat große Zweifel insbesondere am Erfolg von Krypto wachsen lassen: Der Bitcoin Kurs ist nach seinem Allzeithoch von über 50.000 Euro im Oktober 2021 um fast 70 Prozent im Wert gefallen. Der Krypto-Finanzdienst Celsius hat Insolvenz angemeldet, genauso wie die Kryptobörse FTX, der amerikanische Krypto-Finanzierer BlockFi oder der Krypto-Miner Core Scientific. Auch die vielen betrügerischen und illegalen Geschäftspraktiken haben der Branche stark zugesetzt und es wird erwartet, dass noch so einige kleinere und größere Start-ups scheitern könnten.
Wer hat also recht?
Während das Web1 vor allem das Lesen meint (wie erinnern uns an die allerersten rudimentären Webseiten in unseren Internet-Anfängen), umfasst das Web2 sowohl das Lesen und Schreiben („Posten“), also all unsere Aktivitäten in sozialen Netzwerken und darüber hinaus. Im Web3 kommt nun neben dem Lesen und Schreiben auch das „Besitzen“ dazu.
Und genau hier lohnt sich der Blick auf die dahinterliegende Technik: die Blockchain-Technologie mit ihren dezentralen, sicheren, fälschungssicheren Datenstrukturen.
Das große Potenzial von Blockchain, die damit verbundenen Sicherheitszuwächse und die Dezentralisierung ermöglichen spannende und weitreichende Veränderungen – gerade auch für unsere Mobilität.
Werfen wir also einen Blick auf die Potentiale von Web3 und die neuen Chancen für Mobilität – und schauen auch, welche Unternehmen bereits an was arbeiten.
Das New Yorker Startup „Pave Motors“ zeigt, welche Vorteile ein Verkauf von elektrischen Motorrädern über das Web3 bedeuten kann: Die elektrischen Motorräder des Startups sind an ein privates Blockchain Netzwerk angedockt. Beim Kauf eines Motorrads wird also ein NFT über die eigene Pave App (die übrigens eine dApp, also eine dezentrale App ist) herausgegeben.
Warum ist das wichtig?
Die NFTs ermöglichen eine Art zusätzlichen Schutz für bestehende Fahrzeuge. Alle wesentlichen Informationen rund um das Fahrzeug werden fälschungssicher bzw. nachverfolgbar dokumentiert: Nachweis über das Eigentum, Identifikationsnummern, Fahrzeugversionen, Aufzeichnungen über Unfälle, Services, Füllstände, Batteriestatus und und und.
Falls also ein Pave eMotorrad geklaut werden sollte, lässt sich schnell eine sichere Authentifizierung und eindeutige Dokumentation über die Eigentumsrechte belegen ohne mühselig zusätzliche Dokumente über den Kauf oder gar Fotos über das Eigentum als Beweis anführen zu müssen.
Wenn ein Auto oder ein eBike gebraucht weiterverkauft werden soll, haben zukünftige Käufer:innen zudem die Garantie, dass keine Unwahrheiten zur Unfallhistorie eines Fahrzeugs erfunden oder die Lebensdauer einer Batterie verschönt dargestellt werden.
Bisherige Zahlungen für Tanken, Laden, Parken, für die Autowäsche, für die Mautzahlung oder kostenpflichtige Transporte erforderten bislang stets eine menschliche Transaktion. Das ist in den Fällen recht einfach, in denen Fahrzeughalter:innen sich um ihr eigenes Fahrzeug kümmern.
Doch gerade wenn wir an größere Mengen von geteilten Fahrzeugen denken, also im Carsharing, Ridesharing oder Ridehailing Bereich, hätte es durchaus große Vorteile, wenn Zahlungen über das Fahrzeug selbst automatisch und sicher vorgenommen werden können.
Es würde entfallen, erst eine Zahlung auszulegen, nachzuweisen und dann zu erstatten. Oder aber es muss keine Kreditkarte mehr hinterlegt werden, die von unterschiedlichsten Personen verwendet werden soll.
In diesem Feld ist Blackberry eine Partnerschaft mit Car IQ eingegangen, einem kalifornischen Startup, die gemeinsam eine Plattform aufbauen, auf der eine große Anzahl an Dienstleistungen als automatisierte Machine-to-Machine-Finanztransaktionen ausgeführt werden können – bis hin zur Abrechnung von Carsharing und kleineren Reparaturen.
Wir alle wissen, dass wir das Auto nicht effizient nutzen, dass die meisten Fahrzeuge zu 95 Prozent der Zeit ungenutzt bleiben (mehr dazu in meinem Buch „Mobilität in Bewegung“). Über Smart Contracts kann das eigene Fahrzeug mit einem Höchstmaß an Sicherheit auch mit anderen geteilt werden – ob kostenlos oder auch um noch ein wenig Geld nebenher zu verdienen.
Auch das bietet das oben genannte Startup „Pave Motors“ bereits an und ermöglicht über ihre Smart Contracts ein einfaches Teilen des eigenen Motorrads.
Stellen wir uns vor, ein Großteil der Autobesitzer:innen würden ihr Fahrzeug zum Teilen anbieten – die Verfügbarkeiten wären gegeben, die Auslastung von Autos immens erhöht und dadurch auch die Nachhaltigkeit der bereits bestehenden Fahrzeuge deutlich verbessert werden.
Porsche kündigt an, am 23.1.2023 eine NFT Collection der beliebten Ikone Porsche 911 anzubieten: 7.500 NFTs sollen ab diesem Tag erhältlich sein.
Das so genannte Minten von NFTs bedeutet in diesem Falle, dass eine von namhaften Künstlern erarbeitete Kollektion rund um den Porsche 911 in Krypto-Objekte auf der Blockchain umgewandelt werden, die nicht mehr verändert oder gelöscht werden können.
Porsche experimentiert damit wie zahlreiche weitere Unternehmen mit dem Aufbau einer Community (wie so oft auf einem Discord Channel) und möchte besondere „money-can’t-buy“-Erlebnisse anbieten, um die Marke Porsche erlebbar zu machen und mitzugestalten. Auch 3D Modelle des erworbenen NFTs werden bereits zugesagt. Und wer weiß, vielleicht gibt es dann auch eine digitale Kopie des 911, mit dem sich durch das Metaverse fahren lassen wird?
NFTs können interessant für diejenigen sein, die neue Interaktionen und Erlebnisse mit ihren Lieblingsmarken suchen – genauso für diejenigen, die schlicht neue Wertanlagen in der digitalen Welt faszinierend finden und auf eine hohe Wertsteigerung spekulieren
Und dann gibt es natürlich noch die Entwicklung, dass Fahrzeuge zukünftig nicht nur selbst zahlen können, sondern umgekehrt auch Zahlungen empfangen sollen.
So könnte sich tatsächlich Geld verdienen lassen, wenn beispielsweise Elektroautos am Peer-to-Peer-Energiehandel teilnehmen oder durch das bidirektionale Laden auch Strom wieder in das Netz zurückgeben.
Das Berliner Startup „peaq“ arbeitet genau an einer solchen „Economy of Things“ Plattform, damit in einem Ökosystem Fahrzeuge, Maschinen, Roboter und Geräte – aber auch Autos und Ladestationen – selbstständig Waren und Dienstleistungen austauschen, monetarisieren und handeln können.
Im dezentralen Web3 ergibt sich zudem auch eine neue Organisationsform, die sich wie das Web3 über ihre Dezentralität und Autonomie auszeichnet: Solche sogenannten DAOs (decentralized, autonomous organization) organisieren sich auf der Blockchain und sind für alle ihre Mitglieder:innen zugänglich, transparent und nachvollziehbar. Der Zugang zu einer solchen Gruppe oder Organisation erfolgt meist über ein Token, wodurch die Token-Besitzer:in auch Eigentumsrechte an ihrer DAO erwerben.
Das macht eine solche Organisation autonom – ohne zentrale Führung, in der Entscheidungen von unten nach oben getroffen werden können, unterstützt und gesteuert über die Community anhand selbst bestimmter Regeln. Als Vorläufer solcher DAOs gelten Genossenschaften oder auch Kollektive und gerade im Kontext eines gesellschaftlichen Allgemeinguts, wie Mobilität, lassen sich solche DAOs gut vorstellen.
Aber es gibt auch diejenigen, die bereits noch größer denken: Unter dem Begriff „Internet of Mobility“ wird bereits an globalen, dezentralen Mobilitätsnetzwerken gearbeitet. Das Interessante daran ist das Prinzip „any user, any vehicle, any interface“.
Damit soll jedes Fahrzeug – öffentlich, geteilt, privat, elektrisch oder autonom fahrend – gefunden, kombiniert, gebucht, geöffnet oder bezahlt werden können und das Ganze unabhängig von der jeweiligen App.
Gerade diese Aussicht ist hochgradig spannend:
Denn so weit überregional alle wesentlichen Mobilitätsangebote auf ihrer Plattform zu bündeln hat bislang noch kaum eine App wirklich geschafft. Was in der einen Stadt gut funktioniert, klappt noch lange nicht in der anderen. Während die Anzahl unserer Mobilitäts-Apps und damit einhergehend unsere Anzahl an Kundenkonten auf unseren Smartphones immer weiter steigt, fehlt bislang ein verlässliches Angebot, was nicht nur Mobilitätsangebote bündelt, sondern sie auch einfach buchen und abrechnen lässt.
Das Internet of Mobility arbeitet daher an der Vision, allen Nutzer:innen jede Form von Mobilität anbieten und bezahlen lassen zu können – egal, ob man gerade eine Flug-App offen hat und einen Scooter bei Landung mieten möchte oder im Ausland eine Carsharing-App offen hat und ein Fahrrad für eine Fahrt durch einen Park sucht. Das Ganze weltweit, basierend auf der Sicherheit von Blockchain und mit voller Kontrolle über die eigenen Daten.
Uns erwartet also ein faszinierendes neues Kapitel in unserer Mobilität durch die Potentiale von Web3. Und daher möchte ich einen großen Dank und Respekt all denjenigen Visionär:innen und Pionier:innen aussprechen, die schon heute, an unterschiedlichsten Orten auf dieser Welt, an genau dieser Mobilitätsvision für morgen arbeiten.