Die IAA war in diesem Jahr geradezu ein Gradmesser: Sozusagen das erste große Event während der Pandemie. Wenn es hier klappt, könnten viele weitere Event-Organisator:innen wieder aufatmen und auf ähnliche Veranstaltungsumsetzungen hoffen.
Doch persönlich habe ich aus einem ganz anderen Grund die Entwicklungen rund um die Messe verfolgt: Denn für den GABAL Verlag und mich war schnell klar - wenn mein Buch "Mobilität in Bewegung" in diesem Jahr herauskommt, dann idealerweise kurz vor der IAA, die sich erstmals in "IAA Mobility" umbenannt hat mit dem Ziel zu zeigen: Es geht um mehr als nur Autos. Es geht um unsere gemeinsame Mobilität.
Daher waren wir mehr als erleichtert, dass die Messe doch wie geplant stattfinden kann. Und welchen besseren Zeitpunkt hätte es für die Erscheinung des Buchs geben können?
Eine Neuausrichtung einer Messe umzusetzen, ist eigentlich schon große Aufgabe genug. Dies in Zeiten einer Pandemie zu machen und einen Großteil des Events auch noch Open-Air zu planen, erfordert sicherlich eine Menge Mut.
Aber: Die IAA Mobility hat Wort gehalten und sich zumindest ein Stück weit geöffnet. Dafür ist sie erstmals aus Frankfurt nach München gezogen. Während die Messehalten noch nicht unbedingt so anders wirken als noch in den vergangenen Jahren - vielleicht einige Start-ups mehr als früher sowie ein Halle nur für Fahrradaussteller - lag das Hauptaugenmerk für die regulären Besucher:innen in der Innenstadt von München. Dort wurden mehrere zentrale Plätze in Open Space Flächen umgewandelt.
Der Gedanke: Mitten drin sein. In den Dialog gehen. Nahbarer sein als auf den Messegeländen weiter weg aus der Stadt. Natürlich hat das noch nicht überall so geklappt, wie ich es mir gewünscht hätte. Auch hier gab es noch einige Aufbauten, die mehr an Hochglanz-Messeauftritte erinnern - nur eben in der Innenstadt. Aber die Richtung des Öffnen gefällt mir in jedem Falle.
Was ich auf jeden Fall spannend am Begleitprogramm fand, war der große Schwerpunkt auf den unterschiedlichsten Fragestellungen rund um Mobilität. Der alleinige Fokus auf Autos war so definitiv nicht mehr gegeben.
Von daher habe ich mich gefreut, auch an mehreren Panels teilnehmen zu dürfen. Ein Beispiel war ein Panel zu Mobilität im ländlichen Raum, das die Organisation "Women in Mobility" gemeinsam mit der IAA Mobility organisiert hat.
Ein weiteres Panel hieß "Creating new Mobility Services in an intermodal Ecosystem" und gemeinsam Marcus Fromm (Accenture), Bastian Raschke (Facebook) und Benjamin Pfeiffer (ioki) sprachen wir darüber, wie Mobilität als Dienstleistung zunehmend humanzentriert auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in unserer Gesellschaft eingehen kann - moderiert von der wunderbaren Andrea Thilo.
Ein Citizens Lab, direkt auf dem Marienplatz? Eine Bühne, zwei große Workshop-Zelte, mehrere Stände mit Plätzen zum Sitzen und Reden?
Fand ich eine tolle Idee!
Mit Menschen ins Gespräch kommen, über Mobilität diskutieren, die nicht seit vielen Jahren beruflich damit zu tun haben, sondern als Bürger:innen im Alltag mit Mobilität zu tun haben. Deswegen habe ich mich besonders gefreut, dass ich auch im Rahmen des Citizens Lab an zwei sehr spannenden Sessions auf dem Marienplatz teilnehmen durfte:
Am ersten Tag der Eröffnung stellte ich mit Jadranka Darul (Green City Experience) die Frage an das Publikum: Welcher Mobilitäts-Typ sind Sie? Und verloste gleich auch mehrere Exemplare meines Buchs.
Am Samstag vormittag diskutierte ich dann mit Münchens 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden sowie Mara Cole (Bayern Innovativ) zu dem sehr plakativen Titel "Frauen am Steuer: Die Verkehrswende ist fest in weiblicher Hand". Wegen mir hätte es auch etwas weniger feministisch klingen dürfen, aber vielleicht braucht es einen solchen Schwerpunkt wenn wir bedenken, dass nach wie vor nur 22% Frauen im Verkehrssektor arbeiten und gerade einmal 3% der CEOs im Mobilitätsbereich weiblich sind.
Schön war übrigens, dass sich das Wetter für die Open Air Sessions gut gehalten hat. Doch einen Wermutstropfen gab es schon: Vorgestellt hatten wir uns eine offene Fläche auf dem Marienplatz, wo alle Besucher:innen der Münchner Innenstadt die Veranstaltung mitbekommen und einfach stehen bleiben können. Auf Grund der Covid 19 Vorschriften brauchte es dann aber leider doch eine große Absperrung mit Einlasskontrollen und abgetrennten Wegen für den Ausgang. Das hat zu sicherlich weniger Besucherteilnahme geführt, als möglich gewesen wäre...
Gefreut habe ich mich zudem zu sehen, dass auch Friedensnobelpreisträger Prof. Muhammad Yunus (meine große Inspiration und Vorwortgeber in meinem Buch) eine virtuelle Bühne auf der IAA Mobility erhielt.
Gerade die Mobilitätsbranche, die sich in einem kompletten Wandel befindet, braucht meiner Meinung nach klare Impulse wie sie ihr Potential für eine bessere Zukunft für die gesamte Bevölkerung deutlich besser nutzen kann.
Ich zumindest empfinde es als eine große Inspiration, seinen ganzheitlichen Blick zu hören: Auf Menschen, Ökologie und die Wirtschaft gleichermaßen. Aber auch noch einmal ermahnt zu werden, nicht allein auf die Mobilität, Herausforderungen und Chancen in Deutschland zu schauen, sondern die globalen Fragestellungen ebenfalls in den Blick zu nehmen. Gerade bei Mobilität gibt es zu viele Herausforderungen und fehlende Zugänge und somit eigentlich drängenden Handlungsbedarf.
Da ich in meinem Buch doch eine etwas besondere Sicht auf Mobilität einnehme - vom Menschen her gedacht und mit einer sozialen Nachhaltigkeit im Blick - habe ich mich ganz besonders gefreut, bei vielen Panels, Talks und Session zur Mobilität dabei sein zu dürfen.
Ich erinnere mich beispielsweise an ein Vorgespräch zu einer Session zu Autonomen Fahren - wo Andrés Hernández von Siemens Advanta mir explizit sagte, er wolle über Autonomes Fahren aus einer nicht-technischen Sicht sprechen. Und all die anderen Facetten beleuchten, die es aus gesellschaftlicher, organisationaler und psychologischer Seite gibt. Da war ich natürlich sofort dabei und freute mich über eine rege Diskussion mit Andrés, aber auch Markus Jungender von Dräxlmeier sowie Henning Lategahn des Start-ups Atlatec.
Vieles an der IAA Mobility hat mir also schon von der Richtung her sehr gut gefallen. Mir gefällt die Öffnung zur Gesellschaft. Die Verbindung der Messe in der Innenstadt mit der Messe außerhalb über eine "Blue Lane", also eine funktionale Umweltspur, zu verbinden, um Schadstoffe sowie Verkehrsaufkommen zu reduzieren durch E-Fahrzeuge und Fahrgemeinschaften. Und ich finde es schön, dass die IAA Mobility der Stadt München auch neue Ladesäulen hinterlassen hat.
Mein größter Kritikpunkt jedoch ist das große Überangebot des Begleitprogramms. Unzählige Talks, Panels, Sessions mit teilweise sehr ähnlichen Überschriften fanden nicht nur parallel auf den unterschiedlichsten Bühnen in den Hallen statt, sondern auch noch in der Innenstadt, zum Teil auch noch parallel virtuell und auch noch in weiteren Locations statt. Das führte schon fast zu einer gegenseitigen Kannibalisierung und einige Sessions wurden teilweise nur von einer Handvoll Menschen gesehen.
Eine stärkere Bündelung und Konzentration auf deutlich weniger Programmpunkte und dafür aber eine deutlich größere Bewerbung dieser Sessions würde ich daher sehr nahelegen wollen - und ein klein wenig mehr Diversity auf den Panels wäre darüber hinaus auch noch sehr wünschenswert.
Danke aber für eine sehr intensive und spannende Woche zu Mobilität - denn sie ist definitiv in Bewegung!