Mit etwas Bauchschmerzen zum ersten Mal elektrisch auf Langstrecke

Zugegeben, ich hatte doch ganz schön Bammel.

Den ID.4 hatte ich gerade einmal eine Woche und es stand ein Wochenend-Trip in das Rheinland an. 400km von Wolfsburg nach Meckenheim bei Bonn. Danach ein Abstecher nach Montabaur. 400km zurück. Das ist das Pensum, das geschafft werden muss.

Auf den Geschmack eines Elektroautos bin ich durch einen Plug-In Hybrid gekommen, einen Passat GTE genauer gesagt, denn das rein elektrisch Fahren hat mir echt Spaß gemacht. Sanft, leise, sehr angenehm. Daher wollte ich mehr.

Es ist also der Vorabend vor dem Trip. Und mir gehen ziemlich viele Gedanken durch den Kopf (vermutlich keine Überraschung für alle, die mich gut kennen...). Das neue Elektroauto bin ich bislang drei mal gefahren. Nie mehr als wenige Kilometer. Wir werden voll beladen sein. Das Wetter ist kalt und windig - Faktoren, über die ich mir früher vor einem Trip offen gesagt nie besonders große Gedanken gemacht hatte.

Jetzt aber schon.

Hätte ich für die Langstrecke doch lieber das Auto einer Freundin anfragen sollen? Vielleicht sogar was anmieten? Ich checke sogar kurz die Seiten von einigen Autovermietungen. Autos wären kurzfristig fürs Wochenende zu mieten. Allerdings ja auch irgendwie Quatsch, wenn man ja eigentlich ein Auto hat.

Aber ich bin schon ziemlich verunsichert. Fahre also noch spät abends zur Schnellladestation. Die fehlenden 45% aufzuladen dauert mehr als eine Dreiviertel Stunde. Denn auch wenn man an der Schnellladesäule zwar bis zu 350 kW laden könnte, lädt es bei mir mit etwa 60kW. Ich kann das Auto und das Laden zu wenig einschätzen. Auch bei den Schnellladesäulen an den Autobahnen steht, dass man bei ihnen bis zu 350 kW laden könne - das hilft mir aber nur wenig wenn ich effektiv nur mit einem gewissen Teil lade.

Daher mache ich mir viele Gedanken: Wenn wir also in gleichem Tempo laden wie jetzt auch, würde wir ja über eineinhalb Stunden Pausen machen müssen. Das ganze bei einem Trip, den wir sonst immer ohne Pause gefahren sind. Wie oft werden wir unter den Wetterbedingungen und mit vollem Auto Pause machen müssen? Reicht eine Pause? Brauchen wir zwei? Noch mehr?

Ich lade mir also zwei Apps, die mir die verfügbaren Ladestationen in Deutschland anzeigen. So ganz darauf vertrauen möchte ich aber nicht, also lege ich (mittlerweile schon etwa Mitternacht vor dem Trip am nächsten Morgen) noch eine kleine Rechercheeinheit ein. Suche mir auf der Webseite der größten Schnellladestationen alle diejenigen heraus, die auf dem Hin- und dem Rückweg liegen. Das ganze wird noch mit unterschiedlichen Farben markiert und ausgedruckt - nur vorsichtshalber.

Mein Mann hält mich für leicht bescheuert. Er hält es eher mit dem Rheinischen Grundgesetz "Et hätt noch emmer joot jejange", da sind wir verschieden.

Ein bisschen angespannt war ich anfangs während der Fahrt schon noch. Das legte sich dann aber doch zunehmend. Das Fahren macht Spaß und über eines freue ich mich ganz besonders: Das Auto ist wesentlich leiser auf der Autobahn, als man es gewohnt ist. Das macht einen großen Unterschied und ist echt angenehm. Zudem berechnet das Auto, wo sinnvollerweise geladen werden sollte, wie lange das dauert und was das für die Ankunftszeit bedeutet.

Für die Hinfahrt über die A2 und A1 klappt das auch hervorragend. Die Empfehlung des Autos zum Laden und mein Zettel sind sich absolut einig - immer ein gutes Zeichen! 🙂

Und es gibt genügend Lademöglichkeiten, so dass ich zunehmend entspannter werde (anders als auf der Rückfahrt).

Wir machen also einen Zwischenstopp etwa nach Zweidrittel der Strecke auf einem Autohof, es sind noch gut 20 Prozent der Batterie übrig. Alle Schnellladesäulen sind frei. Und hier klappt auch das Laden prima: Wir laden mit etwa 120 kW und das dauert etwa 50 Minuten.

So richtig viel kann man auf dem Autohof zwar nicht tun, aber mit einem Kaffee, ein paar Schritten draußen und einem Telefonat ist die Zeit auch schnell rum. So weit so gut.

In Meckenheim selbst findet sich auch problemlos eine kleine Lademöglichkeit. Das dauert zwar lange aber gibt ja die ganze Nacht Zeit. Kein Problem!

Die Rückfahrt über die A7 allerdings war schon deutlich problematischer. Hier gibt es teilweise über 200km lang keine passende Schnellladestation oder nur mit großen Umwegen. Um diese 200km am Stück gut abzupassen, muss man doch frühzeitig vorher laden und auch danach noch einmal, um es nach Hause zu schaffen. Diese dritte Ladestation lädt nur mit etwa 60 kW Ladung. Damit dauert dann auch das Laden von nur 40 Prozent wieder knapp eine Stunde.

Während des Ladens rechnen wir also aus: Wie lange sollten wir laden? Wie viel Ladung brauchen wir bis zur nächsten Ladestation? Muss es voll aufgeladen werden oder reicht es, gerade so die 200km zu schaffen?

Und dann bin ich doch froh um meine Vorab-Recherche und den Zettel. Denn die Ladestationen, die ich mir ausgesucht hatte, waren so noch nicht eingespeichert. Das hätte daher eine deutlich längere Ladepause und damit eine deutlich spätere Ankunftszeit bedeutet, als es laut Überschlagung in meinem Kopf sein musste.

Der vierte Ladevorgang ist daher nötig, um es nach Hause zu schaffen. Wir müssen nur ungefähr so viel laden, dass es gut nach Hause reicht, es muss ja gar nicht voll sein (und idealerweise lädt man Batterien ja sowieso nur bis etwa 80 Prozent). Diese Ladung braucht etwa 40 Minuten.

Doch ich bin auch ehrlich: Nach einem langen Wochenende ist man langsam etwas müde und möchte nur ungern wieder im Dunkeln schon wieder so lange an einem Rasthof stehen und warten. So richtig aufregend ist das nicht, etwas tun kann man derzeit ohnehin nicht. Man möchte langsam ankommen. Zum Glück gibt es Netflix.

Es ist nicht immer klar für mich zu prognostizieren mit welcher Geschwindigkeit geladen werden wird. Das macht die Pausenlänge schwer abzuschätzen und damit auch die Ankunftszeit schwierig vorherzusagen. Man muss definitiv etwas Pufferzeit einplanen.

Beim vierten Lade-Stop haben wir an einer Station geladen mit brandneuen Ladesäulen, die noch nicht einmal auf den Autobahnschildern aufgenommen waren. (Durch die Online-Recherche wusste ich von der neuen Ladesäule, bevor sie uns angezeigt wurden - sonst hätten wir 1,5 Stunden länger gebraucht). Es tut sich viel an den Raststätten! 

Aber: Komplett flächendeckend entlang der Autobahnen gibt es noch nicht genügend Ladesäulen. Daher würde ich schon dabei bleiben, Langstrecken Trips zumindest beim ersten Mal auch ein wenig selbst mitzuplanen, was das Laden angeht. Oder viel Zeit mitzubringen. Bislang hatten wir Glück, dass die Ladesäulen immer frei waren. Was ist, wenn sie besetzt sind? Was, wenn der Umweg doch deutlich länger dauert? Wie ist das Wetter? All das sind Punkte, die mitzubedenken sind.

Für mich ist das ganz klar die Zukunft - natürlich nur wenn auch der dazugehörige Strom regenerativ gewonnen wird. Das Laden ist grundsätzlich einfach, sauber und fühlt sich wirklich eher an, wie ein Handy aufzuladen. Den Geruch von Diesel und Benzin vermisse ich ehrlich gesagt nicht.

Allerdings muss man schon eine Beschäftigung mitbringen, wenn man am Wochenende das vierte Mal anfängt zu laden und zu warten, denn dann wird es irgendwann doch etwas lang. Vor allem in den jetzigen Zeiten, wo kein Café oder Restaurant offen hat.

Diese ergeben sich doch ziemlich schnell, denn das Elektrofahren verbindet. Man hat die gleichen Freuden am Fahren und noch die gleichen Herausforderungen. Diese Gespräche beim Laden haben mir großen Spaß gemacht, waren stets informativ rund um die Batterie und ihre Lebensdauer - entwickelten sich aber auch schnell in tiefe Diskussion zur Elektrotransformation in unserem Land und die Zukunft von Autos und ihren Autoherstellern.

Und was mir auch aufgefallen ist: Alle mit denen ich gesprochen habe, sind große Fans von Elektrofahrzeugen, auch wenn noch nicht alles ganz reibungsfrei funktioniert. Sie sind überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist. Und fahren mit großer Begeisterung elektrisch.